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Meine bunte Welt


Ein Freund, schottischer Liedermacher, erzählte mir vor vielen Jahren folgende Geschichte:
Ein kleiner Junge malte gerne und liebte Farben. Er achtete nicht so sehr darauf, dass die Farben "stimmten", gemäss den Gesetzen menschlicher Lehre und Wissenschaft; vielmehr war ihm die Harmonie seiner Bilder wichtig, und so malte er Bäume auch 'mal rot und Gras blau, den Himmel gelb u.s.w..
Eines Tages bekam seine Klasse in der Schule die Aufgabe, eine Wiese mit einem Wald zu malen. Und der kleine Junge malte so, wie er es gewohnt war: Bunt.
Als der Lehrer aber das Bild sah, wurde er sehr böse: "Was ist das denn?? Rote Bäume? Blaues Gras ?!? Gelber Himmel ?!! Ja, hast Du denn keine Augen im Kopf ??? Male die Dinge gefälligst so, wie sie sind !! Für dieses Bild ... (er präsentierte es höhnisch der Klasse, die daraufhin geschlossen lachte) ... gibt es allemal ein Mangelhaft !!"
Der kleine Junge weinte still vor sich hin, aber er malte das Bild neu, so wie es der Lehrer haben wollte.
Die Jahre gingen in's Land, die Familie des kleinen Jungen zog in eine andere Stadt, und der Junge musste eine andere Schule besuchen.
Hier bekam er die gleiche Aufgabe gestellt wie auf seiner vorherigen Schule. Brav erledigte er seine Aufgabe gemäss dem, was er gelernt hatte.
Als der neue Lehrer das sah, wurde er sehr böse. Er sagte: "Warum malst Du denn so langweilig ?!? Grüne Bäume und günes Gras kann jeder malen. Hast Du denn gar keine Fantasie ...? Warum nicht 'mal blaues Gras, und rote Bäume, und ein gelber Himmel ?!?
Nein, dieses Bild ist höchstens ein "Ungenügend" wert !!!"
Ich war über diese Geschichte sehr traurig. Erst viele Jahre später, als es mir gelang, mich aus den Zwängen einer erdrückenden Ehe und dem Kerker menschlicher Regeln zu befreien, erkannte ich, dass mein Freund mir meine eigene Lebensgeschichte erzählt hatte.
Ich habe inzwischen auch erfahren, dass ich ein Asperger-Autist bin. Ich sehe die Welt anders als es die "Gesellschaft" erlaubt.
Das ist mir aber auch egal. Meine geliebte Frau, die mich auch aus meinem alten Leben befreit hat, versteht mich. Und immer wieder treffe ich Menschen, die meine Sicht der Dinge zwar vielleicht nicht nachvollziehen können, aber es immerhin wagen, sie schön zu finden.
Wer meine Art zu fotografieren und zu bearbeiten nicht mag, kann ja einfach wegsehen.
Ich mache Kunst für die Menschen, die es wagen, mir zu folgen auf Pfaden, die uns neue Wege des Sehens und Empfindens eröffnen.
Übrigens, die Farben, die ziehe ich aus den Bildern. Sie sind schon irgenwo da, man muss sie nur ein wenig "überreden", damit sie ihre Schüchternheit überwinden, aber dann ...

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