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Über die Liebe

Als pubertierender Knabe las ich, was immer ich finden konnte, über die Liebe.

 

Mein Vater war sein Leben lang ein Büchernarr, und mein Zimmer war geprägt von einer recht beeindruckenden Bibliothek. Wir hatten wenig Raum in dem Haus, das eigentlich gebaut war als Einfamilienhaus, in dem aber über die Jahre zeitweise vier Generationen gleichzeitig wohnten. Für mich ein glücklicher Umstand, ermöglichte er mir doch Einblicke in menschliches Wissen, das den meisten Gleichaltrigen verwehrt war.

 

 

So lernte ich Alles über die physischen Grundlagen von Liebe und Sexualität, Theorie, der ich vertraute. Diese Theorie wurde Grundlage meiner eigenen Phantasien und Theorien, die zudem geprägt war von meiner Asperger Autistischen Denkweise.

 

Liebe wurde zu einer heiligen Institution für mich, und ich erträumte mir sogar eine Beziehung zu einer erwachsenen Frau, da mir die gleichaltrigen weiblichen Wesen zu unreif waren. Natürlich führte diese Denkweise zu vielen Enttäuschungen, denn die Realität sträubte sich beharrlich, meine Theorien zu bestätigen. Eine Menge „Heartbreaks“ endeten schließlich in einer fiktiven Beziehung mit einem fünf Jahre jüngeren Mädchen, mit dem ich meine Ideen verwirklichen wollte.

 

 

Ich hatte inzwischen durch eine religiöse Organisation gelernt, wie Jesus über Liebe gedacht hatte. „Liebe deine Feinde!“ klang nicht nach einer automatischen Funktion, sondern nach bewußter, harter Arbeit.  Als in meiner Beziehung dann immer mehr Probleme auftauchten, die nicht sehr liebevoll anmuteten, beschloss ich, diese durch bewußte Liebe zu kompensieren. Fast dreißig Ehejahre funktionierte das irgendwie, dann war ich mit meiner Kraft am Ende und mußte eingestehen, dass einseitige Liebe nicht funktioniert.

Sicher, würden alle Menschen sich um Liebe, Respekt und Aufmerksamkeit für einander bemühen, würde das Ganze funktionieren. In unserer Realität aber läuft es anders: Liebe Du mich zuerst und beweise es, dann werden wir sehen …!

 

 

Um es vorweg zu nehmen: Ich hatte das unverschämte Glück, die Liebe meines Lebens zu finden, spät zwar, zugegebenermaßen, aber immerhin. Diese Liebe hat mich überrascht, war ich es doch gewohnt, dass Liebe Arbeit ist, eine Menge harter Arbeit. Doch plötzlich ist es luftgleich leicht, ganz von selbst, in jedem einzelnen Augenblick.  Aber ich kenne jetzt auch den Unterschied.

 

 

Mir wurde vorgeworfen, ich hätte gelogen, früher.
Stimmt nicht: Ich war immer überzeugt von dem, was ich sagte und tat. Aber eben von Augenblick zu Augenblick, von Moment zu Moment, und diese beiden Faktoren sind Variablen, die sich ständig ändern.

 

 

Unsere Begriffe von Statik basieren auf der Krücke „Zeit“, die wir erfunden haben, um uns im Fluß des Universums orientieren zu können. In Wirklichkeit gibt es diese Statik nicht.

 

So ist „Liebe“ an sich mit Kraft und Arbeit verbunden, so wie alles, was wir erschaffen, einen gewissen Aufwand zum Erhalt fordert. Die Alternativen aber, Hass und Gewalt, verlangen letztendlich einen wesentlich höheren Tribut.

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